Malta hindert private Rettungsschiffe am Auslaufen. Auf den Schiffen macht sich Frust breit. Anstatt Menschen retten Helfer Plastikmüll aus dem Meer.
Beim Untergang eines Boots mit Flüchtlingen aus der Türkei sind vor der griechischen Insel Lesbos nach Medienberichten sechs Menschen ertrunken. Drei von ihnen seien Säuglinge, berichtete der türkische Sender CNN Türk am Sonntag. (SPIEGEL 29.7.2018)
Laut tuckert das kleine graue Schlauchboot, das alle „Hülse“ nennen, auf den roten, alten Fischkutter zu. Neeske Beckmann lenkt es an die Steuerbord Seite und bindet es mit zwei Seilen an der Reling fest. „Guten Morgen!“, ruft sie und springt auf das hölzerne Deck. Zwei Crewmitglieder kratzen Rost von der Reling, drei andere kochen Spaghetti mit Gemüse in der Bordküche. Es ist heiß an diesem Augusttag. Maschinist Marco Müller taucht an Deck auf und wischt sich die verölten Hände an einem Tuch ab: „Na, geht’s gut?“ Sie lacht. „Der Tag hat schon wieder scheiße angefangen“, sagt sie, die Hände in die Hüfte gestemmt. „Aber wir basteln jetzt ein Transpi!“ Müller nickt und führt sie über eine schwankende Planke an Land zur Werft, wo die rote Seefuchs liegt, das Schiff der Rettungs-NGO Sea-Eye.
Seit Juni 2018 hält die maltesische Regierung die Schiffe der deutschen NGOs Sea-Watch, Sea-Eye und Mission Lifeline fest, angeblich, weil die Schiffsregistrierung nicht rechtmäßig sei. Die Schiffe sind trotzdem fast vollständig bemannt.
Neben der Seefuchs parkt ein alter weißer VW Bus. Beckmann steigt auf den Beifahrersitz, Müller steuert vorbei an weißen Motorjachten, alten Fischerkähnen und einem grauen Militärschiff. Eine Flagge mit drei gebogenen Querstreifen hängt an einem der Masten: Frontex – der europäische Grenzschutz. Beckmann kneift den Mund zusammen. Dann halten sie in einer Halle, Müller parkt neben einem Müllhaufen aus rostigen Fässern und Metallteilen und zerrt eine alte LKW-Plane hervor. „Die passt, die nehmen wir“, sagt Beckmann.
Mit Transparenten kennt sie sich aus. In Magdeburg, wo sie Psychologie studierte, demonstrierten häufig Neonazis. Sie protestiert dagegen, wird zur Sprecherin, gerät ins Visier der Rechtsradikalen, die ihre Adresse veröffentlichen. Schon als Schülerin eines katholischen Gymnasiums in Hildesheim eckte sie an. 2010 nahm sie am Anti-Castor-Protest teil. „Da fing alles an. So ist das immer bei mir: Wenn, dann ganz.“ Jetzt ist die 29-Jährige Teil der Lifeline-Crew. Das Schiff kam in die Schlagzeilen, weil es im Juni fünf Tage mit 234 Flüchtlingen an Bord auf See ausharren musste. Erst dann genehmigte Malta die Einfahrt. Jetzt hindert die maltesische Regierung die Lifeline am Auslaufen, seit zwei Monaten geht das nun schon so.
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Die komplette Reportage dieser Version gibt es im GO-Heft der Zeitenspiegel-Reportageschule. (hier geht’s zum gesamten Magazin)
Eine verkürzte Version wurde bei Bento veröffentlicht.
Erschienen am 10.10.2018
An english version got published at SPIEGEL, 10/10/18.
Foto von Chris Grodotzki